<< Hamburgisches Verfassungsgericht... äßigkeit des Volksentscheids | Hoffnung für die lärmgeplagten Altstadtbewohner >> |
Volksentscheid zu "Stuttgart 21" beim Staatsgerichtshof angefochten
Es werden im Wesentlichen folgende Anfechtungsgründe geltend gemacht:
1. Der Volksentscheid verstieß gegen das Grundgesetz, weil dem Land Baden-Württemberg die Kompetenz für den Bereich der Schienenwege fehlt. Die entsprechenden Kompetenzen liegen nach Art. 73 Nr. 6a GG, 87 e I 1 GG eindeutig beim Bund. Es verstößt zudem auch gegen die Abstimmungsfreiheit des Art. 26 IV LV, wenn dem Bürger - sinngemäß - die Frage zur Abstimmung vorgelegt wird, "Wollen Sie, dass ein grundgesetzwidriges Gesetz in Kraft tritt?"
2. Die Briefabstimmungsunterlagen wurden von der Landesregierung versehentlich deutlich früher verschickt als die amtliche Abstimmungsinformation zum Volksentscheid. Da die Zahl derjenigen, die mittels Abstimmung per Brief von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben, äußerst hoch war, ist dieser Abstimmungsfehler auch ergebnisrelevant, zumindest kann Letzteres aber nicht ausgeschlossen werden. Es ist unzulässig, dass ein Teil der Abstimmenden ohne, die Mehrheit der Abstimmenden aber mit der Abstimmungsinformation vom Stimmrecht Gebrauch gemacht hat. Entweder muss eine Abstimmungsinformation vor der Möglichkeit der Stimmabgabe sämtlichen Stimmberechtigten vorliegen oder gar keinen. Dass der Wissenstand über den Abstimmungsgegenstand bei den Abstimmenden völlig unterschiedlich war, ist juristisch nicht zu rechtfertigen.
3. Es erscheint auch zweifelhaft, ob das "Erdrosselungsquorum" von einem Drittel der Stimmberechtigten überhaupt mit dem grundgesetzlichen vorgegebenen Gebot der Stimmrechtsgleichheit vereinbar ist. Beim Volksentscheid über "Stuttgart 21" hatte eine Nein-Stimme mehr als das doppelte Gewicht als eine Ja-Stimme. Der Grundsatz der Stimmrechtsgleichheit als elementarer Teil des Demokratieprinzips ist nach der Rechtsprechung des Bun- desverfassungsgerichts Teil der sog. "Ewigkeitsklausel" des Art. 79 III GG. Ein Verstoß hiergegen hätte die Nichtigkeit des Art. 60 V 2 der baden-württembergischen Landesverfassung zur Folge.
4. Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot für staatliche Stellen bestand darin, dass der Stuttgarter Oberbürgermeister in amtlicher Funktion kurz vor dem Volksentscheid in einem extrem parteiischen Brief für das Bahnprojekt Stuttgart 21 Stellung genommen hat. Dieser Brief wurde an alle Stuttgarter Haushalte auf Kosten des Steuerzahlers verschickt und erfüllte die Anforderungen an eine sachliche Stellungnahme auch nicht im Ansatz.
Es ist anzunehmen, dass der Staatsgerichtshof noch in diesem Jahr eine mündliche Verhandlung anberaumen wird.
Der Antrag ist der erste Antrag in der Geschichte Baden-Württembergs, mit dem beim Staatsgerichtshof eine Volksabstimmung für ungültig erklärt werden soll. Die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens liegt insbesondere darin, den Prüfungsumfang im Anfechtungsverfahren nach § 21 IV VAbstG durch den Staatsgerichtshof klären zu lassen, ferner auch darin, die Grenzen des Sachlichkeitsgebots für staatliche Stellen im Vorfeld von Volksabstimmungen richtlich klären zu lassen.
Pressevertretern steht Rechsanwalt Dr. Lipinski für etwaige Rückfragen gerne zur Verfügung.
Heidelberg, den 16.01.2012
Eingestellt am 16.01.2012 von Dr. Lipinski
Trackback
7 Kommentare zum Artikel "Volksentscheid zu "Stuttgart 21" beim Staatsgerichtshof angefochten":
Ich bin S 21 Gegner. Aber eben darum hätte ich _diese_ Klage _so_ _nicht_ eingereicht.
Etliches ist leicht zu entkräften, z.B. sehe ich nicht, was am Kündigungsgesetz rechtswidrig war. Auch ist das Quorum in der Landesverfassung eine Legislativentscheidung, darüber _DARF_ ein Gericht als Judikativinstanz gar nicht urteilen. Auch ging es im Kündigungsgesetz mit keiner Silbe um die Schienen, die in Bundeshoheit liegen sondern um Kündigungsrechte, die das Land BW hat (bzw. sich wünscht) und ausüben kann.
Also das war sicher ein "gelungener Einstieg".
Sofern das Ihre erste Klage beim Staatsgerichtshof gewesen sein sollte, gebe ich Ihnen dann doch die alte Weisheit mit auf den Weg, gegen die ich hier vermutlich selber verstoße ;-): Es gibt keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck.
1. Die Informationsbroschüre zu S21 hatte fehlende wichtige Fakten wie z.B. den Denkmalschutz NICHT mit drin,
2. die von der Anzahl zu hohen Polizeikräfte (unnötige Mehrkosten)
3. weitere verschleierte Hintergrundinformationen wie z.B. die Doppelnutzung des S21 Projektes von den amerikanischen Streifkräften (EUCOM)
4. der wieder "reaktivierte" Bunker unter dem Bahnhof (womöglich für Notfälle): http://www.eisenbahn-foto.de/bunker/index.html
... usw.
Oben Bleiben