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Bundestagswahl 2021 mittels Wahlprüfungsbeschwerde angefochten - Chancen auf baldige Wahlwiederholung intakt
Rechtsanwalt Dr. Lipinski: "Der Bundestag hat das Verfahren monatelang in Ge-stalt puren Nichtstuns verschleppt. Die "Begründung" des Bundestages besteht ganz überwiegend sinngemäß darin, dass er, der Bundestag, für die Verfassungs-widrigkeitserklärung von Gesetzen gar nicht zuständig sei und dass doch auch sonst alles der bisherigen Staatspraxis entsprochen habe. Der erste Punkt ist (lei- der) richtig, aber gerade deshalb hätte der Bundestag innerhalb weniger Wochen seine üblichen Standardsätze zu Papier bringen können und nicht bis zu 1,5 Jahre das Verfahren verschleppen dürfen, nur um dann, wenig verwunderlich, doch wie-der zum Ergebnis zu kommen, dass man keine Normverwerfungskompetenz habe. Der zweite Punkt ebenfalls nicht falsch, aber dieser stellt natürlich keine verfas-ungs-rechtliche Argumentation dar. Es ist befremdlich, dass man sogar mehr oder weniger offen zugibt, dass der Wortlaut von Art. 84 I GG a.F. wie n.F. klar für die Annahme spricht, dass das Bundeswahlgesetz als Zustimmungsgesetz hätte er-lassen werden müssen, man aber unter Berufung auf die Staatspraxis und das Konstrukt eines "Selbstorganisationsakts des Bundes" meint, Wortlaut und Syste-matik der Verfassung übergehen zu können."
Rechtsanwalt Dr. Lipinski begrüßt es, dass viele zentrale, seit langer Zeit verfas-sungsgerichtlich nicht geklärte und in der verfassungsrechtlichen Literatur durch-aus umstrittene Rechtsfragen nun endlich dem Bundesverfassungsgericht zur Ent-scheidung vorliegen. Das betrifft die formelle Frage, ob das Bundeswahlgesetz nicht von Anfang an nur als Zustimmungsgesetz hätte verabschiedet werden dür-fen. Dies betrifft aber auch andere Fragen, z.B., ob die Drei-Direkt-Mandate-Rege-lung, unabhängig von deren ebenfalls formeller Nichtigkeit, nicht zwischenzeitlich jedenfalls materiell verfassungswidrig geworden ist, weil schon seit langem die Aussagekraft von gewonnenen Direktmandaten im Schwinden begriffen ist. Es ist keine Seltenheit mehr, dass Direktmandate nur noch mit etwas mehr als 20% der Stimmen gewonnen werden, so z.B. das Leipziger Direktmandat der Partei "Die Linke". War es Anfang der 90-er Jahre vielleicht noch plausibel aus dem Umstand dreier gewonnener Direktmandate zu schlussfolgern, dass eine solche Partei eine regionale Schwerpunktpartei mit bundespolitischer Bedeutung sei und dass der Gewinn dreier Direktmandate stets Rückschlüsse auf die bundespolitische Inte-grationskraft von Parteien erlauben würde, kann hiervon keine Rede mehr sein. Knapp gewonnene Direktmandate mit 22 oder 25% der Erststimmen lassen diese Schlussfolgerung mittlerweile gerade nicht mehr regelmäßig zu.
Ob ggf. eine mündliche Verhandlung stattfinden wird, steht derzeit noch nicht fest.
Heidelberg, den 07.06.2023
Rechtsanwalt Dr. Uwe Lipinski
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Eingestellt am 07.06.2023 von Dr. Lipinski
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