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70 Jahre alte Staatspraxis des bayerischen Verfassungs- gerichtshofs „gekippt“ – Vielzahl an „Wiederaufnahme- verfahren“ sehr wahrscheinlich – Vereinbarkeit des EU- Ausländerstimmrecht bei Bürgerentscheiden aus grund- gesetzlicher Perspektive weiter offen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 31.03.2016 (Az. 2 BvR 1576/13) zwar die Interpretation des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wonach die Bayerische Verfassung dem EU-Ausländerstimmrecht bei Bürger- entscheiden nicht entgegenstünde, im Ergebnis in dem Sinne gebilligt, dass die- se Auslegung jedenfalls „als jedenfalls nicht willkürlich“ sei. Jedoch hat das Bun- desverfassungsgericht die seit gut 70 Jahren bestehende Praxis des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gekippt, der zufolge der Bayerische Verfassungsge- richtshof in Popularklageverfahren Verstöße bayerischer Gesetze gegen das Grundgesetz nur auf offensichtliche, schwerwiegende und krasse Grundgesetz- verstöße prüft. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit erfreulich deutlich klargestellt, dass es diese Praxis missbilligt, weil diese mit Art. 100 GG unver- einbar ist:

Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG ist keine Beschränkung auf offensichtliche und schwerwiegende Verstöße gegen das Grundgesetz zu entnehmen. (…). Dem trägt die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierte eingeschränkte Kontrolle von Landesrecht am Maßstab der auch für sie verbindlichen Regelungen des Grundgesetzes nicht hinreichend Rechnung.

Da es sich um die bislang ständige Rechtsprechung des Bayerischen Ver- fassungsgerichtshofs handelt, ist schon aus diesem Grunde mit einer Vielzahl an Popularklage-„Wiederaufnahmeverfahren“ zu rechnen. Diese lässt das bayerische Verfassungsrecht zu.

In der Sache selbst ist die Entscheidung jedoch deshalb, gerade auch für die Staatspraxis, unbefriedigend, weil das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Auslegung des Grundgesetzes gerade keine Farbe bekannt hat. Rechtsan- walt Dr. Lipinski: „Dass das Bundesverfassungsgericht die Auslegung der Bayer- ischen Verfassung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof im Ergebnis (nur) als „jedenfalls nicht willkürlich“ gebilligt hat, ist für die Praxis letztlich unbe- friedigend, da die Auslegung von Art. 28 I 3 GG immer noch nicht gänzlich geklärt ist. Positiv ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht immerhin klar betont, dass Art. 28 I 3 GG eine Ausnahmeregelung darstellt und dass die Auslegung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof „durch den Wortlaut der Norm nicht erfasst“ (Rn. 59 der Entscheidung) ist.

Derzeit wird u.a. auch ein Wiederaufnahmeverfahren gegen die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2013 (Entscheidung vom 12.06.2013, Az. Vf. 11-VII-11) geprüft. Grund hierfür ist eine Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs vom Januar 2014, von der der Bayerische Ver- fassungsgerichtshof nunmehr abweichen müsste, wenn er im Ergebnis einen Verstoß des EU-Ausländerstimmrechts gegen Art. 28 I 3 GG ablehnen wollte, was ihn dann aber wiederum eindeutig zu einer Vorlage nach Art. 100 GG zwin- gen würde.

Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 1576/13 haben zwischenzeitlich einen Auftrag für die Erteilung einer Menschenrechtsbeschwerde nach Art. 34 EMRK erteilt.



Eingestellt am 23.05.2016 von Dr. Lipinski
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